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Koordination: Gerd K. Schaumann

03.04.17

„Mitglieder-Förderung“ in Genossenschaften ist ein intelligenter Unternehmensvorteil - auch für Genossenschafts-Banken …


Bereich:
Mitgliederförderung - Förderzweck

Die Frage:

In unserer Genossenschaft gibt es immer wieder Unklarheit über die Mitgliederförderung. Der Aufsichtsrat vertritt den Standpunkt, dass der Förderzweck nicht nur den Unternehmensgegenstand betrifft, sondern auch viel weiter gehen kann. …
Der Vorstand ist – andererseits - sogar der Auffassung, dass die Mietpreise für Wohnungen für alle Mieter – egal ob Mieter oder Mitglieder-Mieter – gleich sein müssten. Er argumentiert damit, dass die Mitglieder an Ausschüttungen teilnehmen und Nicht-Mitglieder davon ausgeschlossen sind. ...
Der Vorstand verweist auch auf die Volksbanken. Dort müssten sogar die Mitglieder Gebühren für Kontenführung bezahlen und die Kredite seien auch für Mitglieder und Nichtmitglieder gleich. Nun bin ich selbst Mitglied einer Volksbank und erkenne tatsächlich nicht, wie man dort die Mitglieder fördert. Ich zumindest erkenne keinen Unterschied.
Aber das kann wohl kaum der Maßstab sein, den wir bei uns anlegen sollten …
Der aktuelle Konfliktpunkt ist, dass der Aufsichtsrat zur nächsten Generalversammlung eine „Förderrichtlinie für Mitglieder“ zur Beschlussfassung vorlegen wird und der Vorstand bereits signalisiert hat, diese nicht anzuerkennen, auch wenn es zu einem Beschluss kommen sollte. Er meint, die Mitglieder hätten kein Recht, einen Beschluss zu fassen, der z.B. ein Initiativrecht für Mitglieder zur Art der Förderung vorsieht und den Vorstand verpflichtet, im Rahmen der Berichterstattung an die Mitglieder einen eigenständigen „Förderbericht“ 
zu geben und die Mitgliederförderung in Form einer „Förderbilanz“ dazustellen. …
Gibt es eine Möglichkeit, einen solchen Konflikt abzuwenden, ohne dafür die Gerichte zu bemühen?
     
(FragestellerIn – Vorsitzender des Aufsichtsrates einer Wohnungsbaugenossenschaft  

Die Antworten – Ein Auszug:

Die Pflicht zur Mitgliederförderung ist der zentrale Unterschied zwischen einer Genossenschaft und einem Unternehmen anderer Rechtsform.
Im Umkehrschluss müsste man eigentlich die Frage stellen, ob ohne die Mitgliederförderung eine Genossenschaft überhaupt zustande kommen  oder als solche weiterhin bestehen kann bzw. darf. …
Die Mitgliederförderung bezieht sich nicht auf die Genossenschaft als solche, sondern auf die Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder.

Es gibt im Gesetz weder Festlegungen noch Hinweise darauf, was unter „Förderung“ zu verstehen ist. Der Gesetzgeber überlässt – zu Recht – den Mitgliedern selbst zu entscheiden, wie das aussehen soll ….
Diese Mitglieder artikulieren über den Genossenschafts-Souverän (Generalversammlung), in welchem Umfang, in welcher Form und sogar durch wen dies geschehen soll. Die Genossenschaft kann mit der Umsetzung der Förderung deshalb auch Dritte beauftragen.

Der Unternehmensgegenstand wird spielt für den Förderzweck sicherlich eine wichtige Rolle, denn er bildet die Grundlage, zu der sich die Mitglieder entschlossen haben, Mitglieder zu werden….
In einer Wohnungsgenossenschaft bezieht sich das besonders auf Qualität, Preis und Nutzung einer Wohnung. Wir würden das als „Basis- oder Kernförderung“ bezeichnen. Als „Zweiten Förderkreis“ würden wir solche Förderungen sehen, die einen aus dem Unternehmens-Gegenstand abgeleiteten Bezug haben. Wir nennen das auch die „erweiterte Basis-Förderung“. Hierzu könnte man z.B. eine vorteilhafte Energie-Versorgung oder zusätzlich Betreuungsaktivitäten für Mitglieder nennen.
Als „Drittes Förder-Element“ – sozusagen die eher allgemeine Gemeinschafts-Förderung – wird der Vorteil gesehen, den die Mitglieder dadurch erreichen können, weil sie als Gruppe nach außen auftreten und wirken. Das könnten z.B. der Abschluss von Rahmenvereinbarungen sein oder andere Vorteile, die sich eben daraus ergeben, dass die Mitglieder in oder als  Gemeinschaft handeln. Dazu können auch z.B. die Nutzung von „Card-Systemen“ gehören, die Einkaufsvorteile bieten. …

Dass der Förderzweck kein statisches, sondern ein sehr dynamisches Element ist bzw. sogar sein muss, ergibt sich aus der Natur der Sache, dass Wirtschaft einem ständigen Wandel unterliegt.
Zu Recht hält sich das Genossenschaftsgesetz deshalb auch damit zurück, zu dieser zentralen, ja sogar entscheidenden Figur für jede Genossenschaft, wie der Förderung,   auch nur Hinweise oder Beispiele anzudeuten. Auch, wenn man meinen könnte, das sei geschehen, weil jede Art/Segment von Genossenschaft unter „Förderung“ etwas anderes verstehen könnte, wäre diese „grundlegende Enthaltsamkeit“ eigentlich nicht nachvollziehbar. …
Es mag sein, dass eine Agrargenossenschaft andere Förderzweck-Ausprägungen hat, wie eine Wohnungsbau- oder gar Bankgenossenschaft, dennoch hätte das nicht zu dieser so konsequenten bzw. strikten „Aussage-Enthaltsamkeit“ zur Förder-Thematik führen müssen. Für jede Art von Genossenschaft gäbe es durchaus verallgemeinerbare Formulierungen zu finden, wie z.B. eine Berichterstattung nebst weiterer Intentionen. …

Aber „Fehlanzeige“, der Gesetzgeber übt sich ausgerechnet in der zentralsten Figur des GenG in einer (ungewohnt) kompletten „Enthaltsamkeit“.
Was könnte das Motiv einer solchen Zurückhaltung gewesen sein?
Wenn wir „Versehen“ ausschließen können, muss das Motiv eher etwas mit Absicht zu tun haben!
Der Gesetzgeber unterstellt offensichtlich, dass die Formulierung des Grundsatzes „Förderung der Mitglieder“ als eine Art „Generalklausel“ zu sehen ist, die sozusagen einen „interpretatorischen Grund-Charakter“ für alle Normen des GenG impliziert. …

Das könnte dann sogar heißen, dass – ohne dies besonders erwähnen zu müssen – z.B. Verstöße nach § 34 oder 41 GenG gegeben sein könnten, wenn das „Förder-Gebot“ unberücksichtigt bleibt.
Genereller formuliert könnte man sagen, dass alle Gremien-entscheidungen unter einer Art „Förder-Vorbehalt“ stehen. Anders ausgedrückt, würde das heißen, dass dem Grunde nach  j e d e  Entscheidung, jeder Beschluss, sich daran zu messen hat, in wieweit dadurch das „latente Förder-Gebot“ positiv oder negativ tangiert wird. ….

Wer unter diesem Anspruch „Verfassungen“ (Satzungen) von Genossenschaften beurteilt, ist überrascht, wie wenig dort über das „Fundamental-Prinzip“ (Förderung) ausgeführt wird. Auch Geschäftsordnungen sind nicht gerade „auskunftsfreudig“ bezüglich einer Konkretisierung des „Fundamentals“, also der „Essenz“ der konkreten Genossenschaft. …

Kann man bei fehlenden „Regelungs-Konkretisierungen“ in Satzung oder Geschäftsordnung von dem Grundsatz ausgehen:

·         Was nicht näher geregelt ist, findet nicht statt!?

Eine solche Haltung oder Einstellung kann eigentlich nicht im Interesse der Gremien liegen, denn sie würden – im Falle eines Konfliktes – (deshalb) in eine schwierige Lage geraten, weil dann (fast) jede ihrer Entscheidungen (aktiv oder durch Unterlassung) unter dem „Vorbehalt der förderwirtschaftlichen Nachprüfung“ stünde. …

Eigentlich sollte man Vorständen und Aufsichtsräten dringend empfehlen, aus eigenem Interesse, auf das Vorhandensein von konkretisierenden Förderungs-Regelungen zu drängen. Das ist wohl das Gegenteil, wie es heute (noch) von den Gremien gesehen wird. Sollte es dazu jedoch Urteile, gar verfassungsrechtliche Entscheidungen geben, könnte diese (derzeitige) Passivität leicht zum „Bumerang“ werden. …

Genauso irritiert ist man jedoch, wenn man sich in Satzungen den Katalog „Rechte / Pflichten der Mitglieder“ anschaut. Auch hier, in Bezug auf das essenzielle Thema „Mitgliederförderung“ irgendwie „Sendepause“. …

Ist das nun Gleichgültigkeit, großes Vertrauen in die Geschäftsführung oder schlichtweg nur Unkenntnis? …

Wir gehen hier eher davon aus, dass es Unkenntnis ist. Was jedoch die Frage aufwirft, weshalb dazu die Genossenschafts- und/oder Prüfungsverbände, also die zu vermutenden „Profis“ in Sachen „Förder-Recht“, sich irgendwie in Schweigen oder Ignoranz hüllen. Wer sich unter diesen Prämissen Prüfungsberichte anschaut, wird überrascht, dass zum Thema „Förderung der Mitglieder“ kaum etwas gesagt wird. …

Dabei ist doch genau die Mitglieder-Förderung die Grundlage dessen, weshalb das Prüfungsrecht - in der praktizierten Form - staatlich verliehen und in ihrer Besonderheit immer wieder als notwendig und richtig betont wird. Wer jedoch damit so oberflächlich bis ignorant umgeht, sollte eigentlich froh sein, dass bisher „nur“ dieses Prüfungsprivileg in Kritik kam. Es hätte auch schlimmer kommen können, wenn solchermaßen Unterlassungen auf möglichen Schadenersatz überprüft würden ….

Also ein Fall für die Rechtsaufsicht der Verbände?
Eigentlich schon, aber auch hilfreich?

Nun könnte man sagen, irgendjemand müsse ja feststellen, ob etwas „richtig oder falsch“ sei und das dann „abstellen“ (lassen). …

Wäre aber das wirklich im Sinne des Gesetzgebers und der Intention des Gesetzes?

Wir würden davor warnen, diesen Weg zu gehen, denn er könnte zu dem – ungewollten – Ergebnis führen, dass die (gewollte) Souveränität der Mitglieder eingeschränkt würde. Jeder „Ruf“ nach dem Gesetzgeber ist eigentlich zugleich eine Art „Verweigerungshaltung“, die latent vorhandene und gesetzlich gewollte Chance zu mehr Selbstverantwortung noch weiter wegzuschieben. …

Wir würden eher einen Weg darin sehen, Maßnahmen zu ergreifen, endlich die (bewusste) Offenheit zur Konkretisierung mit Inhalten als Chance zu sehen und dann mit Leben zu füllen!

Dazu könnten Regelungen, wie Sie von Ihnen zu Recht initiiert wurden, sehr dienlich sein. Der Einstieg in das Förder-Thema kann in der Tat durch die Schaffung einer eigenständigen Förder-Richtlinie geschaffen werden. Achten Sie jedoch bitte darauf, dass Sie das „Kind nicht mit dem Bade ausschütten“. Damit meinen wir, dass es wenig Sinn macht, nunmehr alle möglichen Arten und Formen von „Förderung“ aufzulisten und damit zwei Probleme zu „riskieren“:

·         Sie verkennen, dass Förderung ein dynamischer Prozess ist, der einem stetigen Wandel unterliegt. Was heute im Kontext von Förderung Priorität bei den Mitgliedern hat, kann morgen bereits „sinnwidrig“ sein. Deshalb empfiehlt sich keine „enumerative“, sondern eher eine beispielhafte, allgemeiner gehaltene Formulierung – sozusagen - eine Art „Generalklausel“, die es ermöglicht, aktuelle Beschlüsse der Generalversammlung aufnehmen zu können.
·         Das Förder-Prinzip – was klar erkannt und beachtet werden muss – ist kein „Spielfeld“ für „ich wünsch mir was“. Der Grundsatz, dass nur gefördert werden kann, was die Zukunftsfähigkeit der Genossenschaft nicht gefährdet, sollte strikt berücksichtigt werden. Das könnte z.B. damit erreicht werden, dass man einen gemeinsamen „Förder-Ausschuss“ einsetzt, in dem sowohl die Geschäftsleitung, wie auch Aufsichtsrat und (qualifizierte) Mitglieder vertreten sind. „Neutralen Sachverstand“ einzubeziehen ist möglich und sinnvoll, denn es ist ein Beratungs- und kein Gestaltungs-Gremium und kann deshalb auch Nicht-Mitglieder umfassen.

Eigentlich nicht nachvollziehbar ist, weshalb sich „Ihr“ Vorstand gegen etwas sperrt, was die Essenz der Genossenschaft ausmacht. Wir würden empfehlen, dazu dringend den gemeinsamen Diskurs zu wählen und zunächst den Vorstand aufzufordern darzulegen, weshalb er zu dieser – unverständlichen – Blockadehaltung kommt, die ihn in arge Probleme bringen könnte, weil er offensichtlich nicht verstanden hat, dass genau dies das Kernstück – und die wirkliche Chance – dieser Unternehmensform ist, die er nicht sieht oder sehen will. …

Wir wissen, dass viele Manager – gerade bei Genossenschaftsbanken – fast blindwütig sich darauf konzentrieren, dass „Förderung“ Nachteile für das Unternehmen bedeuten würden und man im Verhältnis zu anderen Geschäftsbanken (irrigerweise) glaubt, im Nachteil zu sein. …
Würden solche Manager sich von ihren – oftmals vorliegenden – „Minderwertigkeits-Komplexen“ erholen, könnten sie endlich das enorme Chancen-Potenzial einer Mitglieder-Förderung erkennen, das sie sogar befähigt, Entwicklungen in Gang zu setzen, von denen Geschäftsbanken eigentlich nur „träumen“ können. …

Wer z.B. mit Sätzen in der Öffentlichkeit aufwartet, quasi mit „Rechtsverstößen“ in der Öffentlichkeit Kunden einzuwerben, zeigt damit nur, dass er das „System Genossenschaft und Förderung“ nicht verstanden hat. Es macht für eine Genossenschaft einfach keinen rechtlichen (auch keinen noch so kleinen wirtschaftlichen) Sinn, wenn man damit wirbt, dass „Mitglieder genauso behandelt werden, wie Nicht-Mitglieder“. Solche Manager, mögen sie noch so gut sein, haben eigentlich keinen Platz in einer Bank, die mitgliederbezogen entstanden und aufgestellt ist. …

Natürlich wollen wir bei Genossenschaftsbanken keineswegs einige Besonderheiten verkennen, wie z.B. die „Banken-Aufsicht“, zumal eine solche „Aufsicht“, die den eindeutigen gesetzlichen Rechtsbezug (Genossenschaft und Förderauftrag) vielleicht (bisher) einfach nicht versteht oder nicht verstehen will. ….

Gerade auch dieses letztere Argument irritiert uns nicht deshalb, weil „Aufsicht“ sich so verhält, wie sie sich verhält, sondern weil die Mitglieder irgendwie nichts damit anzufangen wissen, dass Mitgliedschaftsrechte nicht „gewährt“ oder gar „verschenkt“ werden, sondern (selbst aktiv) gestaltet und im Zweifel auch engagiert „verteidigt“ werden müssen. …

Trotz umfangreicher Recherchen konnten wir bisher nichts erkennen, was darauf hindeutet, dass die Mitglieder von Genossenschaften, besonders von Bank-Genossenschaften, sich ihrer diesbezüglichen Verantwortung und Chancen aus einer Mitgliedschaft bewusst wären.

Dabei handelt es sich gleichermaßen um Themen mit weniger oder um solche mit mehr fundamentaler Bedeutung. …

Weniger fundamental könnte es sein, ob Mitglieder in Sachen Gebühren für Konten besser gestellt (d.h. gefördert) werden, fundamentaler könnte es sein, wie genau oder besser sich „meine Bank“ auf so ein tiefgreifendes Thema einstellt, im Falle einer (politischen) Unbeherrschbarkeit von Folgen aus der permanenten „Geld-Aufblähung“    
ihre Mitglieder anders (besser) zu stellen, wie dies Geschäftsbanken tun können oder wollen. Eine Geno-Bank kann und darf nicht „Lehman II“ sein. Das würde den Förderzweck völlig auf den Kopf stellen. …

Unser (vorläufiges) Fazit:

Genossenschaften stehen und bestehen in einem Mitgliedschaftsbezug, dessen „Grundrecht“ das Recht auf Förderung ist.
Dies kann weder von Seiten der Leitungsorgane, noch von Aufsichtsorganen – ohne latent zu erwartende Streitigkeiten oder ggf. sogar Schadenersatzforderungen zu riskieren – ignoriert werden. Hier würden wir dringend empfehlen, aus Eigeninteresse, selbst eine rechtliche Klärung herbeizuführen, d.h. Eigeninitiative zu ergreifen.

Wir präferieren jedoch eher, die vom Gesetzgeber gewollte „wirtschaftliche Lösungsperspektive“, einen Perspektiv-Wechsel einzuleiten, indem man „Förderung“ als Chance begreift und damit eine „Rechtsform-Überlegenheit“ anstrebt.

Dazu gibt es einen recht interessanten und durchaus bekannten Satz aus der Wirtschaft, der hier passend erscheinen könnte:

„Mach dein Brett vor’m Kopf zu Waffe“ …

Gemeint damit ist, zu beginnen, die potenziell mögliche Zusammenarbeit mit Mitgliedern so zu gestalten, dass damit so etwas wie eine „WirKraft“ entsteht, denn das ist genau das, was zur Überlegenheit führt, denn die Zukunft gehört Wirtschaftssubjekten, die Werte, wie z.B. Vertrauen, Partizipation, Transparenz, etc. präsentieren können und dabei zugleich – nachhaltig - erfolgreich sind …

WirKraftWerke – Eine geniale Idee setzt sich durch.

Fragen bitte an info@menschen-machen-wirtschaft.de richten.