Der „Marshall-Plan“ des BMZ bietet Voraussetzungen damit Zuwanderer Verantwortung
für ihre Herkunftsländer übernehmen können
Der „Marshall-Plan“ mit Afrika ist wichtig
und nachvollziehbar. Es geht jetzt darum, recht zeitnah und nachvollziehbar,
positive Ergebnisse zu erzielen. Wo? Natürlich in den sog. Entwicklungsländern
selbst, dort wo die Problemauslöser sind, weshalb sich Menschen überhaupt auf
den Weg machen, ihr Herkunftsland zu verlassen. Damit stellen sich zwei
wichtige Fragen:
A. Wie soll sich aber dort etwas zeitnah
verändern?
B. Wer - und Was soll diese Veränderung –
und in welche Richtung – nachhaltig
bewirken?
Ansatz der Entwicklungspolitik war bisher
eher, etwas „für“ diese Länder zu tun. Natürlich gab es den Ansatz der „Hilfe
zur Selbsthilfe“. Aber er scheint – in der bisherigen Form – noch nicht das
erhoffte Ergebnis gebracht zu haben. Es liegt uns fern, das Bemühen der engagierten
Entwicklungsorganisationen oder des zuständigen Bundesministeriums zu
kritisieren. Sie haben einen guten Job gemacht, im Rahmen der ihnen zur
Verfügung stehenden Ressourcen. Nein, es geht nicht um Kritik, es geht um die
Schaffung einer „Verantwortungsgemeinschaft“, es geht um eine Erweiterung des
bisherigen „Entwicklungs-Paradigmas“, vielleicht sogar um eine Art
entwicklungspolitischen „Quantensprung“. Und in diesem neuen Verständnis wird
es nicht anders gehen, als die Menschen in oder aus „Entwicklungsländern“ an
ihre Verantwortung für die Menschen ihres (Herkunfts-) Landes, für ihre dortigen
Familien zu erinnern.
Die Zeit drängt, denn durchaus
ernstzunehmende Kenner der afrikanischen Verhältnisse prognostizieren, dass sich
in nicht ferner Zukunft eine neue Welle von Zuwanderern nach Europa und damit
auch ganz sicherlich nach Deutschland, auf den Weg begeben wird, um den für sie
unerträglichen Verhältnissen in ihren Herkunftsländern zu entfliehen. Es ist
müßig, einen Thesenstreit darüber zu führen, ob es sich wirklich immer um
„Asylsituationen“ handelt. Statt über rechtliche oder polizeiliche, gar
militätrische Maßnahmen der „Abwehr“ nachzudenken, sollten jetzt über Ursachenbeseitigung
nachzudenken. Es sind Themen wie Humanität, Verantwortung und die Veränderung
der oftmals menschenunwürdigen Lebensverhältnisse in Afrika. Genau dazu kann
der „Marshall-Plan“ dienen.
Das dazu passende Konzept heißt:
·
Vorbehaltlose,
intelligente und faire Kooperation.
Die einfachste Umsetzungsform ist eine
Kombination von genossenschaftlicher Struktur und unternehmerischer Selbstverantwortung.
CoopGo – Afrika will in diesem Kontext – als Teil des „Marshall-Planes mit
Afrika“, Entwicklungsgenossenschaften entstehen lassen, die von Menschen aus
den Herkunftsländern geführt und verantwortet werden und die auf Technik
zurückgreifen, die dem wirtschaftlichen Aufbau in den Herkunftsländern dauerhaft
nützen.
Der MMW Bundesverband der
Cooperationswirtschaft hat dazu – in Verbindung mit „Kooperations-Experten“ –
das Konzept „CoopGo – Afrika“ entwickelt. Gerd K. Schaumann (Vorstand bei MMW)
stellte nunmehr der Öffentlichkeit Rahmen und erste Inhalte dieses Konzeptes
vor.
MMW präferiert grundsätzlich
Entwicklungs-Partnerschaften in kooperativen Formen, vor allem Genossenschaften.
CoopGo – Afrika ist sozusagen eine logische Fortsetzung der Konzeptionen
„Integrationsgenossenschaften“ und „Migrationsgenossenschaften“. In beiden
Konzepten ist der Kerngedanke enthalten, dass die sich in Deutschland
aufhaltenden Menschen aus den Herkunftsländern, Verantwortung für
die Menschen in ihren
Herkunftsländern übernehmen.
Untersuchungen zeigen, dass ein großer Teil
der Zuwanderer der letzten Jahre nach Europa und Deutschland, einen weiteren
„Aderlass“ an Entwicklungsfähigkeit für die Herkunftsländer bedeutete.
Um dem entgegenzuwirken, gehen wir bei MMW
davon aus, genossenschaftliche Firmen aufzubauen, die mit den Herkunftsländern
eng verknüpft sind. Zahlreiche Zuwanderer der letzten Jahre haben bereits
gezeigt, dass sie fähig und willens sind, sich vor allem in Handwerksbereichen,
gezielt auf eine Selbständigkeit vorzubereiten. Die Frage ist nur, ob sie
danach noch hinreichend bereit sind – außer dem gewiss wichtigen Geldtransfer -
auch einen verstetigten
unternehmerischen Entwicklungstransfer zugunsten ihrer Herkunftsländer zu
leisten?
Im Konzept „Integrationsgenossenschaften“
ist der Ansatz „Verantwortung für das Herkunftsland“ zu übernehmen, bereits
enthalten, jedoch eher als Idee oder weitere Option. Der Schwerpunkt der Integrationsgenossenschaften
liegt zunächst vor allem darin, Bereitschaft und Fähigkeit zum kooperativ
eigenständigen unternehmerischen Handeln als Alternative zur Arbeitslosigkeit
oder „geringwertiger“ Beschäftigung in Deutschland zu sehen.
Das Konzept „Entwicklungsgenossenschaften“
geht über diesen Ansatz erheblich hinaus. Zwar geht es auch um Integration,
denn die Kooperationsunternehmer sollen bzw. können durchaus ihren Wohnsitz in
Deutschland haben, aber sie sollen und müssen, zugleich bereit sein, wirtschaftlich aktiv zugunsten der
wirtschaftlichen Entwicklung ihres Herkunftslandes zu wirken.
Im MMW-Konzept werden z.B. folgende
Besonderheiten für Entwicklungs-genossenschaften (E-Genos) genannt:
A.
Soweit
sich nicht aus dem Kreis der derzeitigen Zuwanderer in Deutschland hinreichend
Personen anbieten, um im Konzept „Entwicklungsgenossenschaften“ mitzuwirken, können
durchaus auch aktiv Menschen in potenziell schwierigen Herkunftsländern zwecks
„MitMachen“ angesprochen werden. Wohl gemerkt, es geht nicht darum, mehr oder
weniger „Zuwanderer“ im Land zu haben, sondern Probleme in den potenziellen
Herkunftsländern zu lösen, um „Wanderungsbewegungen“ tendenziell zu mindern
oder ganz zu vermeiden.
B.
Für
jedes potenzielle Herkunftsland werden sogenannte „Entwicklungs-Profile“
erstellt, die ermitteln und festlegen, welche Art von Technik und mit welchen
Eigenschaften, erforderlich sind, um nachhaltig positive Entwicklungstrends zu
gewährleisten.
C.
In
sogenannten „Qualifizierungs- und Entwicklungszentren“ werden in Deutschland
gezielt technische Lösungen - für diese Herkunftsländer – entwickelt,
weiterentwickelt und erprobt. Außerdem übernehmen diese „Q+E-Zentren“ die
Qualifizierung der potenziellen Anwender/Nutzer und unterstützen bei der Umsetzung
in den Herkunftsländern.
D.
Parallel
oder integriert in die „Q+E-Zentren“ erfolgt, sowohl eine fachliche, sowie zusätzlich eine „kooperativ-unternehmerische“
Qualifizierung. Handwerks-kammern in Verbindung mit Handwerksbetrieben wären
für die fachbezogene Qualifizierung zuständig, während Genossenschaftsverbände in
Verbindung mit Handwerksbetrieben
(vorzugsweise Genossenschaften des Handwerks) für die
kooperativ-unternehmerische Qualifizierung verantwortlich wären.
E.
Eine
Gesamtkoordination – im Rahmen des Marshall-Planes - könnte bei einer AG
„Entwicklungsgenossenschaften“ liegen, die an das BMZ angebunden wäre.
Wir bewegen uns mit dem MMW-Konzept „CoopGo
Afrika“ auf Neuland, so der MMW Vorstand. Aber es lohnt sich, neue Wege zu
gehen. Die Menschen in unserem Land erwarten überzeugende politische Antworten,
die wirkliche Problemlösungen erkennen lassen. Weder eine „unbedingte“
Integration vermag zu überzeugen, noch vermag man den Menschen im Lande zu erklären,
dass die Ursachen der Zuwanderungen konsequent genug und orientiert an den wirtschaftlichen
Ursachen, behandelt werden. Erfreulich, dass eine große Mehrheit der deutschen
Bevölkerung allein in polizeistaatlichen oder gar militärischen Maßnahmen keine
nachhaltige Problemlösung sieht.
Immer mehr wird deutlich, dass ein großer
Anteil der Zuwanderer genau zu der Personengruppe zählt, die dringend in ihren
Herkunftsländern für deren Wirtschaftsaufbau benötigt werden. Man könnte fast sogar
sagen, dass Zuwanderung nach hier dazu führt, den Problemdruck in den
Herkunftsländern eher noch ansteigen lässt. Trägt „unbedingte“ Integration
sogar zur Problemverschärfung bei und erzeugt quasi neue Wanderungsbewegungen?
Es gibt durchaus ernstzunehmende Meinungen von Entwicklungsexperten, die eine
solche Vermutung bestätigen.
Wir haben inzwischen zu einem Konzept der
Einforderung von „Herkunftsländer-Selbst-Verantwortung“
eigentlich keine Alternative. Aber so etwas macht auch nur Sinn, wenn in
entsprechenden Projekten diese Verantwortung „eingefordert“ werden kann. Wir
sind sogar sicher, dass die Mehrzahl der eingewanderten Menschen gern bereit ist,
ihre „Herkunftsland-Verantwortung“ aufzugreifen und sie wahrzunehmen. Aber sie
haben bisher keine Chance gehabt zu zeigen, wie ernst sie das meinen.
Entwicklungsgenossenschaften, die
konsequent und kooperativ Menschen zum unternehmerischen Handeln für ihr Herkunftsland befähigen,
könnten Wegweiser für einen „Paradigmenwechsel“ der Entwicklungspolitik werden.
In diesem Konzept werden die Menschen, die ihrem Land fehlen, sozusagen
unternehmerisch qualifiziert, um selbst als die „wahren Entwicklungshelfer“ für
ihr Land tätig zu sein. Dafür werden sie hier qualifiziert und – egal ob
Asylanspruch oder nicht – sie erhalten einen Rechtsstatus, der ihnen auch
garantiert, in ihr Herkunftsland einzureisen, ohne ihr Aufenthaltsrecht in
Deutschland einzubüßen. Wir nennen das „Smart-Coop-Development“,
eine intelligente Form, um lösungsorientiert, Menschen, Wirtschaft und Herkunftsland
miteinander zu verbinden.
Willy Brandt sprach bereits vor Jahrzehnten
von „Interdependenzen“ (wechselseitige Abhängigkeiten) und warb – bisher eher
ohne wirksame Resonanz – für intelligente „Nord-Süd-Lösungen“.
Auch aus Eigeninteresse sollten wir es
jetzt und rechtzeitig schaffen, „Vorsorge“ zu treffen, bevor neue Zuwanderer –
diesmal aus großer Existenznot – an den Grenzen Europas erscheinen. Noch haben
wir die Chance, die „Herkunftsland-Verantwortung“ einzufordern. Wenn größere Hungersnöte
Wanderungs-bewegungen auslösen, kann man wohl kaum an eine „Herkunftsland-Verantwortung“
erinnern.
Entwicklungsgenossenschaften sind
sicherlich nicht der einzige Weg zur Problemlösung, aber der einzige Weg, der
uns die Möglichkeit einräumt, Zuwanderer mit der Frage nach ihrer
„Herkunftsland-Verantwortung“ legitim anzusprechen.